Ein Greenhorn übt
TREC-Reiten
Obschon ich seit etwa
20 Jahren reite und an den verschiedensten Reitveranstaltungen wie Rallyes,
Fuchsjagden, Distanz- und Orientierungsritten teilgenommen habe, ging eine
Disziplin bisher völlig an mir vorbei - das TREC-Reiten. Die kurzgefaßte
Erklärung, dass es sich um wettbewerbsmäßiges Wanderreiten handelt, trifft den
Kern der Sache für mich als begeisterten Wanderreiter eigentlich erstmal nicht.
Wanderritte, die man gemeinsam mit seinem Vierbeiner aus Freude an der Natur
durch überwiegend unbekanntes Gelände
unternimmt, wobei man sich Zeit für Sehenswürdigkeiten, nette bewirtete
Pausenplätze und einen Plausch mit den Einheimischen gönnt und sich nicht an
einer Strecken- oder Zeitvorgabe sondern nach dem Auge, dem Wetter und dem
Zufall orientiert und schwierigere Passagen seinem bepackten Wanderreitpferd
oftmals erspart, kann man wohl kaum
wettbewerbsmäßig betreiben - es sei denn man legt sich eine Strichliste an und
es gewinnt derjenige, der die meisten netten Begegnungen hatte, die schönsten
naturbelassenen Wege gefunden bzw. idyllische
Pausenplätze oder Quartiere getestet hat.
Nach der
Durchsicht des TREC-Reglement ist meine Erwartungshaltung an diesen Wettkampf
eine andere und ich würde TREC danach lieber umschreiben als anspruchsvollen
Orientierungsritt mit Zeitvorgaben, Zusatzaufgaben und
Geländeschwierigkeiten. Um nun
herausfinden zu können, was das TREC-Reiten wirklich bedeutet, haben mir die
Hasselbacher Einwohner Ingo Meyer und Familie angeboten, alte TREC-Strecken zu
zeigen und einige der TREC-Hindernisse
auszuprobieren. Leider konnte mich Ingo aus gesundheitlichen Gründen
nicht begleiten, doch hatten er und Heidi wertvolle Vorarbeiten geleistet,
damit ich auch alleine die Testritte durchführen konnte und sie standen mir
stundenlang für die Fragen zur Verfügung, die mich dann abends nach dem
Abreiten der TREC-Strecke auf einmal plagten.
Als erstes stand
ein ehemaliger, ca. 25 km langer Orientierungsritt von Hanspeter Schäfer auf
dem Programm, der sich durch TREC-ähnliche Sonderaufgaben wie das Reiten nach
Marschzahlen und Point-to-point auszeichnete. Heidi gab mir die Originalstrecke
und stoppte die Uhr, damit ich – wie unter Wettkampfbedingungen üblich – im 20
Minutenstreß die Strecke einzeichnen konnte.
Die Zeit reichte nicht ganz aus, um auch die Kilometerstriche
anzufertigen und bei dieser Gelegenheit konnte ich feststellen, dass mein
Meßrädchen hierfür nicht das geeignete Mittel ist. Wir mussten den Ritt etwas
modifizieren; da an der Strecke ja keine Posten aufgestellt waren, konnte ich
mir die ehemaligen Kontrollpunkte einzeichnen, damit ich wusste, an welchen
Stellen neue Zeitvorgaben gelten. Nach
Zeitvorgabe war ich vorher nie geritten und so versuchte ich auf einer Stopuhr
an jedem Kilometerstrich abzulesen, ob ich noch im Zeitlimit war. Es klappte
erstaunlich gut und mit einem Unterschied von 3-5 Minuten zur Sollzeit am
Kontrollpunkt war ich vollauf mit mir zufrieden. Übrigens lohnte sich auch hier
die gute Aufklärung durch Heidi- aus dem Distanzreiten nahm ich nämlich an,
dass Tempo 7 gleichbedeutend mit 7 Minuten pro Kilometer ist - aber denkste –
im TREC-Sport heißt dies 7 Kilometer in der Stunde. Da wäre ich im Ernstfall
ganz schön aufgelaufen. Die Streckenführung war sehr schön und bis auf zwei
Passagen und der Etappe im Dunkeln, bei denen ich mir etwas unsicher war bzw.
abgekürzt habe, leicht zu finden.
Allerdings ritt ich diese Strecke auch
im Spätherbst und Heidi versicherte mir, dass es in der belaubten
Jahreszeit um einiges schwieriger sein würde, „verschwundene“ Wege zu
finden. Also ein Appell an
TREC-Anfänger: reitet, solange das Laub aber noch nicht der Schnee gefallen ist – und - wie wir weiter unten
noch feststellen werden – nicht im Dunkeln.
Die erste
Sonderaufgabe, das Reiten nach Marschzahlen, riß mich dann ziemlich aus dem Zeitplan. Die Marschzahlen abzulesen, bereitete mir
nach Heidis Unterweisung keine Probleme - wie aber weiß man, ob man nun 750
oder 700 Meter gelaufen ist ? Kompliziert errechnete ich mir über den Dreisatz die notwendige Anzahl meiner Schritte, indem
ich annahm , dass zwei Schritte 1,50m wären - aber das war – wie sich bald
zeigte, schon eine ziemlich falsche Annahme. Wie gut, dass mir Heidi vorher
auch noch erklärte, wie das mit den Marschzahlen ging - dabei bemerkten wir
nämlich auch, dass mein Kompaß eine andere Grad-Einteilung hat als man für
diese Aufgabe gebraucht hätte und so schickte sie mich mit Ingos Kompaß los.
Während ich auf den Kompaß schielend mit dem Pferd an der Hand versuchte mich
beim 1500 –Schritte-Zählen nicht zu verheddern, kamen mir zwei einheimische
Reiter entgegen. Sie stellten unweigerlich fest, dass ich etwas suchte und
wollten mir gerne beim Zurechtfinden behilflich sein. Witzigerweise war einer
dieser Reiter Hanspeter Schäfer, der sich diese Aufgabe ausgedacht hatte und er
gab mir den Hinweis, dass das komplizierte Stück noch kommen würde... Er gab
mir auch den Tip, dass ein Doppelschritt 1,10m ausmacht, was mich dann zu
völlig neuen Berechnungen zwang. Nach gut einer Stunde, in der ich das
Waldstück bestens kennenlernte, gab ich dann auf, den Zielpunkt (von welchem
ich nicht wusste, was dort eigentlich sein sollte) zu finden und der Blick auf
die Uhr brachte mir weiterhin die Erkenntnis, dass ich wohl am heutigen Tag im
Dunkeln zurückkehren würde. Obwohl ich
mich auf dem Rest der Strecke sehr beeilte (so wie man sich mit einem
untrainierten Araber eben eilen kann) kam ich doch schon sehr bald an sichtbare
Grenzen - im Wald war an Kartenlesen wegen der Dämmerung nicht mehr zu denken.
Da ich Schlauberger ausnahmsweise meine Lampe nicht mitgenommen hatte, denn es
stand bei einer Strecke von 25 km und einer Startzeit um 15 Uhr nicht unbedingt
zu erwarten , dass es dunkel werden würde, versuchte ich mein Glück noch ein
paar Kilometer lang auf freiem Feld, konnte aber die offizielle Point-to-Point-Aufgabe leider nicht mehr
ausführen, da mittlerweile weder die
Aufgabe noch die Karte zu lesen waren... Besonders spannend gestaltete sich
dann der Heimritt durch ziemliche Finsternis, ich war froh, dass ich mir
beizeiten eingeprägt hatte, welche Lichter zu Hasselbach gehörten und insofern
war die letzte Etappe dann doch ein gewisses (Licht-)Punktreiten, wenn auch
nicht nach der Originalaufgabe. Meine
Erlebnisse konnte ich dann abends in der- übrigens sehr empfehlenswerten - Wanderreitstation von Familie Pomrehn in
Hasselbach mit Heidi, Ulrike und Hanspeter hinreichend austauschen. Ich bin
dankbar, dass sie meine Unpässlichkeiten nicht belächelten und mir jede auch noch so
peinliche Frage freundlich beantworteten.
Gut ausgeruht und
trotz der Pleiten am Vortage noch nicht abgeschreckt, beschloß ich am folgenden
Tag, eine ehemalige 48km lange TREC-Sichtungsstrecke abzureiten, die Ingo mir
vorgeschlagen hatte. Nach den neuesten Erfahrungen befand sich aber nun in
meinem Gepäck alles das, was man beim Reiten in der Dunkelheit zum Sehen und
Gesehenwerden nicht vermissen möchte. Schon beim Einzeichnen des Weges kamen
mir Bedenken, da einige Streckenabschnitten scheinbar abseits der Wege zu
reiten waren und viele Etappen, wo immer es sich auch anbot, im rechten Winkel
zu den Höhenlinien verliefen. Da 48 km für mein um diese Jahreszeit bereits
abtrainiertes Pferd nicht mehr mühelos zu bewältigen sein würden, war mein Ziel
darum heute nicht das Reiten nach Zeitvorgabe sondern das möglichst perfekte Abreiten
der eingezeichneten Strecke.
Um halb Zehn ging
es auf die Piste. Bereits nach einer halben Stunde stand ich das erste mal vor
einem Acker; wo einst ein Weg verlief zeigte heute nur noch eine Bodenwelle,
dass es ihn gegeben haben mußte. Ein kleiner Abstecher war also notwendig und
ich nutzte die Gelegenheit, um mir einen auf der Karte eingezeichneten „alten
Markt“ näher zu beschauen.
Kurze Zeit später
konnte ich dann den herausragenden Baum begutachten, den ich am gestrigen Tage
am Ende der Marschzahlen hätte finden sollen.
Ein kilometerlanges, gerades Stück ohne
Orientierungsschwierigkeiten lud zum Galopp ein und ich konnte hautnah erleben,
wie mein Araber eine klimpernde Dosen-Vogelscheuche als Pferdescheuche interpretierte – hierbei wurde
mir schnell klar, dass ich das einhändige Reiten gerade für solche
grenzwertigen Situationen doch noch ein wenig optimieren sollte.
Eine weitere
reizvolle Orientierungsaufgabe entstand, als sich ein in der Karte
verzeichneter Trampelpfad heute innerhalb eines monströsen Baugebietes
versteckte - hier mussten wir eine größere Umgehung suchen, da das Betreten
nicht mehr gestattet war. Wenig später
erklärte uns ein nettes Schild, dass wir nur als Fußgänger erlaubt sind. Da ich
mir sicher war, dass die TREC-Strecke hier entlang gehen sollte, hatte ich die
Hoffnung, dass für das Reiten auf diesem Pfad eine Genehmigung existierte ...
Etwas verunsichert stand ich an einem
weiteren Abschnitt auf einer Wiese vor einem Bach und einem Steilhang. Ich
linste zwischen den Bäumen durch, ob irgendwo ein Pfad oder sonst eine
Bodenauffälligkeit vorhanden war, anhand der man sich hätte sicher sein können,
dass es dort hoch geht, doch da war nichts. Ob ich die Strecke falsch
eingezeichnet hatte ? Oder ob das einfach nur eine typische TREC- Übung war-
über den Bach, den Steilhang durch die dichten Bäume hochzuklettern ? Ich stieg ab und führte den Araber die
vermutliche Querfeldeinstrecke über Bach und Steilhang hinauf. Es war zu
schaffen, wenn ich auch ein bisschen aus der Puste kam. Ob das so richtig war ?
Über die Felder ging es dann wieder
leichter und schließlich verschwanden wir in
einem typischen, fast zugewachsenen „TREC-Weg“, der so idyllisch war,
dass ich unbedingt ein weiteres Bild machen musste. Allerdings war er auch so
schön, dass ich ihn viel länger als in der Karte eingezeichnet verfolgte und
dadurch von der Strecke abkam: Ertappt !
Wenn hier jetzt ein Kontrollpunkt gewesen wäre, hätte ich Federn
gelassen. Schnell suchte ich wieder den richtigen Anschluß und kam in ein
wirklich verworrenes Wäldchen – hier schien der Mensch, der die Wege kartiert
hatte, ein bisschen oberflächlich gearbeitet zu haben. Jedenfalls musste man
mehr erahnen, wo die Pfade und Wege sein sollten, die die Karte lustig
vorankündigte. Aber genau das ist ja das
spannende am TREC-Reiten, hier wird es eben etwas kniffelig und anspruchsvoll
und das Gehirn darf sich frei entfalten.
Eine Holzbrücke sah wenig
vertrauenerweckend aus - doch wenn hier sämtliche Sichtungsreiter mit
vermutlich auch kalibrigeren Pferden hinübergekommen waren, dürfte sie einen
schmalbrüstigen VA wohl auch tragen. Und tatsächlich - sie gab zwar unschöne
Töne von sich, ließ uns aber trockenen Fußes passieren. Ein romantisches
Mühlental konnten wir nun nach Herzenlust
in größerem Tempo hinter uns bringen bis uns ein bösartiges Schild sehr
missbilligend entgegenschaute. Ein
Kontrollblick auf der Karte suggerierte, dass wir trotzdem hier richtig waren –
sollten wir einen Umweg machen ? Wie auch immer wir entschieden haben - kurze Zeit später gönnten wir uns jedenfalls
eine ausreichende Pause, da wir mittlerweile die Hälfte der Strecke hinter uns
gebracht hatten.
Ausgeruht und aufgetankt vervollständigten wir unseren Ritt und
standen bald auf einem komplett durch Ginsterbüsche zugewucherten Weg. Nach dem
Motto „ Augen zu und durch“ bahnten wir uns eine Schneise durch die Botanik.
Meine Ausrüstung sollte dringend noch durch eine Machete ergänzt werden. Einsam hing an blauweißer Kordel im Geäst
eine Botschaft: Ein Luftballonwettbewerb aus Holland hatte hier seine Spuren
hinterlassen und landete als Fundstück in meiner Tasche.
Der nächste
Etappenabschnitt auf freiem Feld entpuppte sich als Katastrophe- irgendwie
hatte die Flurbereinigung so viele Wege entfernt und auch neue angelegt, dass
die Orientierung zu einer richtigen Herausforderung wurde. Gut, dass sich Waldränder, Elektroleitungen
und Straßen nicht allzu häufig verschieben und dadurch verlässliche Anhaltspunkte vorhanden waren. Einmal verlief die Strecke noch querbeet- wir
mussten durch ein ausgetrocknetes Bachbett an einem urigen Steinbruch vorbei
und dann mahnte sowohl des Arabers Kondition als auch die nahende Dunkelheit,
den letzten Schlenker abzukürzen, damit wir dieses mal rechtzeitig den Stall
erreichen konnten. Kurz vor der
Hasselbacher Gemarkung erfreuten wir noch einen Jäger, der uns, da ich führte
mit „Wer sein Pferd liebt, der schiebt“ begrüßte, was andeutungsweise des
Arabers Elan wiedergibt, den er zu diesem Zeitpunkt noch zeigte.
Auf dieser ehemalige
Sichtungsstrecke betrug unsere Gesamtreitzeit etwa 6 Stunden, da wir ungefähr 2
km Schlußetappe abgekürzt hatten, waren wir – wie wir später von Ingo
aufgeklärt wurden, also mehr als 30 Minuten langsamer als die Sollzeit vorgab.
Trotzdem war ich sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Besonders erfreut war ich darüber, dass ich
nicht ein einziges Mal völlig verzweifelt umherirrte, wie ich es beispielsweise
schon bei markierten Distanzritten erlebt hatte, da Kalkpunkte allzu sparsam
verteilt worden waren. Auch stellte ich mir das Abreiten der Strecke viel
hektischer vor – die Tatsache, mit meinem durchaus normalen „Wanderreittempo“
immer noch verhältnismäßig gut in der Gesamtzeitvorgabe geritten zu sein,
beruhigte mich sehr.
Den letzten Tag im
Hunsrück verbrachten wir (die Pferde und ich) damit, Ingos Hindernisse und
Trailparcour auf Herz und Nieren zu prüfen. Obwohl wir das Labyrinth ein paar
Mal abgeräumt hatten, was leider nicht Sinn und Zweck der Übung war und ich mir
auch noch nicht ganz sicher bin, wie man dieses Tor in der einen und die Zügel
in der anderen behält ohne sich dabei zu verknoten, haben uns vor allem die zu
springenden Hindernisse die Gruseligkeit genommen. Nicht etwa, dass wir sie nun
alle beherrschen würden - aber wir haben
festgestellt, dass sie gar nicht so schlimm sind, wenn man sie sich aus der
Nähe betrachtet und sein Pferd mal ohne Reiter hopsen lässt. Um unser
Selbstbewusstsein zu fördern, haben wir uns an ganz kleine Spünge auch schon
gemeinsam herangewagt und es bei dem positiven Ausgang dann belassen. Man
sollte ja nicht gleich größenwahnsinnig werden und außerdem braucht man ja auch noch eine Herausforderung als Hausaufgabe für die Zukunft.
Ich habe durch
dieses verlängerte Wochenende in Hasselbach TREC-Feuer gefangen und denke beim
Reiten an nichts Anderes mehr. Jetzt kann ich etwas näher eingrenzen, was einen
bei einem solchem Wettkampf erwartet und meine Übungsritte dementsprechend
ausrichten. Ein ganz herzlicher Dank geht an Ingo, Ulrike und Heidi, an Hanspeter
und an die Wanderreitstation Pomrehn, die mir diesen Aufenthalt und das
TREC-Reiten so freundlich nahegebracht haben und die mir hunderte von
wertvollen Tips und Hinweisen gegeben
haben, damit ich nicht mehr alle Fehler eines TREC-Greenhorns machen muß, die
schon ausgetestet wurden.
Wer Spaß an
Gedichten hat- ich habe ins Gästebuch der Pomrehns geschrieben:
Den TREC mal zu
üben, deshalb kam ich her,
ich muß Euch
berichten, es gefällt mir gar sehr.
Von Ingo und Heidi
wurd ich angelockt
Und hab drei Tage
lang auf dem Pferde gehockt.
Nach Marschzahlen
reiten, das kann ich noch nicht
Und schreib das
auch ehrlich hier rein ins Gedicht.
Die
Sichtungsstrecke hab ich überwunden
Und mein armes
Pferd dabei müde geschunden.
Noch nie hat es
sich auf den Stall so gefreut,
denn hier wird’s
von Pom und der Bärbel betreut.
Auch bin ich
begeistert von Küche und Bett
Und die Hunsrücker
Leute sind alle so nett.
Bericht und
Fotos:
Silke Dehe