Eine ungeahnte Häufung wettkampforientierter Wanderreiter traf im Schwarzwald mit dem Ziel zusammen, die härtesten der Harten zur Vertretung der TREC-WM in Deutschland zu ermitteln. Beatrix und Florian Mahlke luden die Reiter zu einem sehr ausgefallenen Veranstaltungsort ein: einem Tiergehege in Schramberg-Waldmössingen. Vier Tage lang war der Verwahrungsort der Lamas, Esel, Hängebauchschweine und diverser hornbestückter Wiederkäuer Dreh- und Angelpunkt eines Wettkampfes, der sich vermutlich allein schon dadurch als einzigartig auszeichnet, daß zu seiner Durchführung weitaus mehr Helfer gebraucht werden als in der Regel Teilnehmer starten. Das Teilnehmerfeld war mit 49 Reitern, verteilt auf 32 im Wettkampf A (Sichtungsritt für die Erwachsenen) und 17 im Wettkampf B (Sichtung für die Jugendlichen, TREC-Einsteiger) ungewöhnlich groß und beinhaltete auch Gäste aus Belgien, Frankreich, Österreich und der Schweiz.
Da auch TREC von der Idee her ein lebenserhaltender und nicht lebenszerstörender Wettkampf ist, untersuchte der engagierte Tierarzt die teilnehmenden Pferde auf ihre Reittauglichkeit – die Gesundheit der Reiter ist offensichtlich nicht gefährdet, da eine reitertaugliche Untersuchung nicht erfolgt(e), was dem TREC-Neuling Hoffnung bringt.
Ganz anders als in sonstigen Freizeitreiterveranstaltungen nahm man als Unverbrauchter der Szene am Vorabend des ersten Wettkampftages nach der Auslosung der erbarmungslosen Startzeiten erstaunt die rechtzeitig schwindende Teilnehmerstärke in der „Plauderrunde“ zur Kenntnis – angesichts der erwarteten Anstrengung zogen es die „Alten Hasen“ also vor, sich auf den kommenden Tag ausgeschlafen vorzubereiten. Schließlich waren sie ja nicht gekommen, sich mit Pferd im Schwarzwald zu vergnügen und der Natur hinzugeben – nein - sie waren gekommen, sich kilometerlang peinlich genau an Wegstreckenvorgaben zu halten, die Bea und Florian nicht etwa zur Verknüpfung tourismusgeeigneter Sehenswürdigkeiten erwählt hatten, sondern die geschickt jene Wald- und Flurgebiete verbanden, in welchen eine größtmögliche Abweichung zwischen Karte und Natur bestand.
P.O.R. oder : Warum tut man sich das eigentlich an ?
In den wohl vergleichsweise kürzesten 20 Minuten seines Lebens opfert der TREC-Reiter all seine Aufmerksamkeit und zeichnerische Geschicklichkeit, eine wunderbar saubere Kartenkopie mit einem widerlich bunten Stift seiner Wahl zu individualisieren. Die sogenannte „Originalstrecke“ auf der „Originalkarte“ wird in dieser künstlerisch anmutenden Ausfertigung des Veranstalters trotz vielfältiger Bemühungen sämtlicher Teilnehmer jedoch in dieser Form nie wieder erreicht, was sich am Ende des Rittes beispielsweise dadurch zeigt, daß es kaum tierische Löcher (in Form von Ente, Schnecke und dergl.) in der Streckenkarte gibt, die trotz des Nagangriffes laut Reglement zumindest noch leserlich sein muß. Daraus zu folgern, daß es Sinn und Zweck dieser Streckenkarte ist, möglichst unverbraucht und beschmiert am Ende des Orientierungsrittes wieder dem Veranstalter übereignet zu werden, ist jedoch falsch – obwohl diese Möglichkeit von vielen Teilnehmern gerade auf diesem Ritt anscheinend als besonders pfiffige aber erfolgslose Taktik aufgegriffen wurde.
Man könnte P.O.R. auch als „Pfad ohne Richtigkeit“ übersetzen. Diesen Eindruck gewann man sehr schnell, wenn man versuchte, dem Originalstreckenverlauf zu folgen. Bereits auf dem ersten Kilometer zeigte die unvermittelte Ankunft am Heimbach oder in der Ortschaft Waldmössingen, daß man zwar unterwegs war aber offensichtlich auf einer Variante B, die nicht vom Veranstalter vorgesehen war. Der TREC-Neuling begriff spätestens jetzt, wo trotz des um 5 Minuten versetzten Startes der Teilnehmer mehrere Reiter gleichzeitig auf unterschiedlichen Wegen und in unterschiedlichen Richtungen sichtbar waren, daß es in der Tat nicht sinnvoll (und auch gar nicht möglich) ist, gutgläubig einem sogenannten „Vorreiter“ zu folgen.
Eine erste Kontrolle der Glaubwürdigkeit aus Originalkarte und Raubkopie lieferte der stille Streckenposten (ST. 1) „ Marco“ – auch „die Schnecke“ genannt, der sich im verwachsenen Unterholz unweit der L419 verbarg. Auf ein dokumentarisches Bild seitens der Verfasserin muß an dieser Stelle leider verzichtet werden - nicht etwa, weil Marco nicht attraktiv wäre, sondern weil er ein Meister des Verbergens ist. Man muß sich wundern, wie genügsam solch ein Streckenposten seine Arbeit verrichtet: Still und unsichtbar sitzt er im Walde, nur allerseltenst von hektischen Reitern mit einem Leuchten im Auge erblickt, die ihm seine Streckenkarte entgegenzücken. Während die Prozedur des „Löcherknipsens“ im Kino oder bei der Fahrkartenkontrolle zu einer Papierentwertung führt, entwickeln TREC-Reiter geradzu eine Sucht im Streckenkartenlöchersammeln.
Um den Großwald in seiner ganzen Größe kennenzulernen, gaben die Veranstalter sich alle Mühe, den Reitern auf einem netten Zickzackkurs Vorstellungen von Norden und Osten zu vermitteln – wer sich nicht verzählte, verrechnete oder versumpfte, konnte am Ende dieser Etappe den Kontrollpunkt 1 (KP1) - Dagmar - begrüßen, die eine kleine Spitzfindigkeit des Veranstalters umsetzen durfte; Man sah den KP, freute und ärgerte sich. Denn nach dem rot-weiß ausgeflackten Ziel folgte - der richtigen Streckenvorgabe entsprechend aber verborgen durch ein Niederholzgewirr ein zweites Tor – dieses ersparten sich jedoch einige Reiter (zum einen, da sie zum KP1 die Strecke abkürzten, zum anderen aber auch aus Gewohnheit, unnötigen Verletzungsrisiken für das Pferd auszuweichen). Hier wäre eine bildliche Dokumentation als Lerneffekt sehr schön gewesen - die Verfasserin zog es jedoch ganz unprofessionell und unverzeihlich vor, sich mit Ralf zu verquatschen, der an diesem KP leider wegen Verlust eines Hufeisens abbrechen mußte). Dagmar verteilte als Kontrollpunkt keine Tierlöcher sondern Zeiten und sorgte dafür, daß sich unverhofft aufgetretende Agglomerate wieder in Fünfminutentakt verwandelten.
Die nächste Zeitvorgabe mit Tempo 5 deutete umsichtig an, daß nun eine konzentrierte Kletterpartie nach der Energiereserve von Roß und Reiter lechzte. In der Tat bestand auf der nächsten Etappe so manches Vorderzeug seine Bewährungsprobe. Und wessen Konzentrationsvorräte bereits in der Tannenweghöhe zur Neige gingen, der hatte vermutlich wenig Chancen, auf der Rehhalde (was auch immer das sein mag...) seine Streckenkarte mit dem seltenen Delphin des ST 4 auszuschmücken. Nanni selbst hatte, um ihren Posten zu erreichen, einen Fußmarsch von 1,5 Stunden hinter sich, was zeigt, daß man auch als TREC-Helfer wirklich Einsatz bringt und gut beieinander sein muß. (Da hier der Findergeist der Verfasserin versagte, wurde Nanni an neutralem Orte porträtiert –.
ST 5 im Katzenloch leistete der Lochtiersammlung durch Ulrike Reinker, mit einem Hasenknipser einen Beitrag und angesichts dieses ergreifenden Sammlerstückes wuchs nun auch wieder das Vertrauen in die eben noch vergilbten Orientierungsfertigkeiten. Ein Blick auf die Uhr und der schwindende Vorwärtsgang des Vierbeiners ließ in der Gegend des „Wurstwaldes“ Hunger entstehen und vermuten, daß es nun nicht mehr weit zum Mittagsstop sein konnte. Die Strecke führte die TREC-ler entmutigend „hinterm Berg“ durch Hinterlehen und Hinterholz – man wagte kaum, nach vorne zu blicken und drückte weiter den Hintern auf dem Pferderücken platt. Endlich - am Teufelskopf - wurden Wandereiterwünsche wahr ! Ein knallblauer Pavillon, gefüllt mit den Kontrollpunktprotokollanden des KP 5 (Karl-Heinz und Brigitte – sie reiste aus der Schweiz als Helfer an) Käse, Wurst, Wasser, Brötchen, Gurken und Schnaps ließ die von Westen drohenden Gewitterwolken unmittelbar harmlos erscheinen! Leider standen nur 30 Minuten zur Verfügung, all diese Kostbarkeiten genußvoll auf der Zunge bzw. der Streckenkarte zergehen zu lassen. Gut, wenn man einst das Schnellessen in der Mensa üben konnte
Frisch gestärkt konnte sich der TREC-Reiter ob der Tempovorgabe auch gemütlich zu Fuß an den Abstieg wagen – bis am Hinterhof die Verdauungsphase des Magens beendet war und an eine Mitarbeit des Gehirns gedacht werden konnte, was auch zwingend nötig war. Denn hier saß ganz leise und mittlerweile verregnet der liebe Lutz im Zugewachsenen mit seinem Hunde im Bunde (sowohl als lebendiges Exemplar als auch als Knipsabdruck).
Das Weiterreiten kam denn aufgrund der guten Bedingungen an diesem Orte annähernd einem „Rausschmiß“ gleich.
Gnadenlos verteilte sich nun der Regen auf der baumlosen Hochebene gezielt auf das Umfeld des Reiters. Wer noch über eine unzerknitterte und trockene Kartenkopie verfügte, konnte sich über Hinteraichhalden um Aichhalden herum zum Aichhalder Wäldle schlagen.
Der Ungenaue, der den oberflächlich am Waldrand vermuteten Streckenverlauf als Bretterstrecke nutzte, entkam auf diesem Wege dem sich vor dem Wetter im Wald verbergenden ST 8 in Gestalt eines Sebastian und dem damit einhergehenden, wertvollen Sammlerstück – dem (Wetter?)-Frosch (wegen der wasserscheuen Kamera und erwarteter Klumpenbildung leider nicht festgehalten).
Der Ungeduldige konnte nun kurz vor Streckenende noch einmal auf Trick 17 der KP-Erfinder hereinfallen; Man reite also niemals direkt auf einen allzu offensichtlichen KP zu, ohne den genauen Weg in der Karte zu erfragen. Die böse Falle vor der Brücke im sonst so heiligen Heiligenbronn durften Gerard (aus Frankreich) und Janine (aus Belgien) umsetzen. Dafür scheuten sie keine direkte Wettereinwirkung und hatten auch bei den Spätheimkommern immer noch gute Laune.
Der Verkühlte konnte nun in seinem bereits heiß erkundeten Großwald noch die letzten verworrenen Ecken vertauschen, die ihn entweder richtig, falsch oder eben gar nicht zu den unerschütterlichen Helfern Anna und Manu führte. Sie waren als der ST 9 zum Spenden eines Lochpferdes befugt, das man nur bei wirklich guter Ausdauer im Marathonorientieren um diese Uhrzeit noch erhaschen konnte. Die Dunkelheit ist nur durch das schlechte Wetter vorgestäuscht- so spät war die Verfasserin dann wieder auch nicht, als das Bild entstand !
Hocherfreut, das die befürchtete Kompaßstrecke auf der letzten Etappe unwahrscheinlich ist, gelang der Weitgereiste, unterschiedlich motiviert mit feuchten Klamotten, Erfahrungsgewinn oder Zermürbtheit ans Ziel, wo er noch einmal auf seine Begleitutensilien hin überprüft wurde.
Während andere schon seit Stunden ihre Pferde versorgt hatten und sich bei gutem Essen gemeinsam in den Erlebnissen des Tages ergingen, watschelte der Spätheimkehrer im anschwellenden Steigungsregen einer klammen Arbeit entgegen. Eine frühe Startzeit hätte denn doch ihr Gutes !
MA- oder : Was ist schon dabei, 150 Meter Schritt und Galopp zu reiten ?
Es liest sich im Reglement ja nun wirklich etwas lächerlich. Da hat man am Vortag annähernd 45 km in den wildesten Gegenden die verschiedensten Gangarten hinter sich gebracht und nun soll man sich auf zwei Gangarten auf nur 150 Meter beschränken. Was kann da schon dran sein ?
Die enttäuschten Gesichter derer, die die MA hinter sich hatten (nachdem ihre Pferde durch den positiven Ausgang im Tierarztcheck legitimiert wurden), ließen denn auch vermuten, daß sich die Veranstalter bei dieser Gangartengeschichte irgendeine Erschwernisauflage ausgedacht hatten. Und tatsächlich glichen die Bemühungen der Reiter auf der vorgesehenen Strecke, abgesteckt durch lustige Fähnchen und mit Beimengung einiger Habseligkeiten wie Mann mit Regenschirm, Schnur oder Fahrzeug eher einem Munteren Ausprobieren denn einem Vorzeigen der Gangarten. So hatte auch Rainhild reichlich Pech, die sich wie auch die anderen alle Mühe gab, einen flotten Schritt und einen langsamen Galopp zeigen. Daß hier jeder Täuschungsversuch in Form von Schraboppkomponenten sofort entlarvt wurde, sieht man auf am prüfenden Kennerblick von Joachim, der als „Mann der Technik“ die Buchführung gezeigter Gangartenvarianten übernahm und wettergeschützt im weißen Kleinwagen Überwachungsdienst schob.
Den Eingang des PTV bewachte ein strenggläubiger Kuttenmönch, der dem ein oder anderen Reiter schon im Großwald unter die Augen getreten war. zeigt ihn in voller Größe mit seinem Höllenhund – am offiziellen Start sah er zusammengekauert weniger dramatisch aus. Wen er vorbeiließ, geriet kurz darauf in die Fänge von Dagmar, die den Rest des Tages unterstützt durch ihre Crew damit verbrachte, die Stangen, die das Labyrinth markierten, liebevoll nach jeder mutwilligen Zerstörung wieder auf- und auszurichten. Sie war auch die Wächterin der Treppe ,
So mancher Reiter war in diesem Wettkampf dabei, der das Punktesammeln wahrlich ernsthaft betrieb. Diesen Stand mitzuteilen und alle Reiter auf einen Haufen zu zentrieren, um das Gruppenverhalten im Galopp zu erproben, war Sinn und Zweck der Siegerehrung. Wie wer warum und wo abgeschnitten hat, hatten mathematisch bewanderte Leute wie Joachim, Florian und Bea mittels eines schlauen Programmes errechnen lassen, damit sie den Rest des Tages mit Feiern und nicht mit wilden Formeln verbringen konnten. Wer sich dafür interessiert, wer mitgeritten ist und dabei mehr oder weniger Erfolg hatte, kann dies in einer übersichtlichen Tabelle sicher irgendwo auf Ingos Homepage nachlesen.
Ein großes Lob möchte ich an dieser Stelle den Organisatoren und Helfern noch einmal aufdrängen, daß sie ihre Freizeit geopfert haben, um uns Teilnehmern ein an Urlaub grenzendes verlängertes Wochende zu stiften. An meinen ersten und sicher nicht letzten TREC-Ritt werde ich ewig ein schönes Andenken haben.
Silke Dehe