Eine ungeahnte Häufung wettkampforientierter Wanderreiter traf im Schwarzwald mit dem Ziel zusammen, die härtesten der Harten zur Vertretung der TREC-WM in Deutschland zu ermitteln. Beatrix und Florian Mahlke luden die Reiter zu einem sehr ausgefallenen Veranstaltungsort ein: einem Tiergehege in Schramberg-Waldmössingen. Vier Tage lang war der Verwahrungsort der Lamas, Esel, Hängebauchschweine und diverser hornbestückter Wiederkäuer Dreh- und Angelpunkt eines Wettkampfes, der sich vermutlich allein schon dadurch als einzigartig auszeichnet, daß zu seiner Durchführung weitaus mehr Helfer gebraucht werden als in der Regel Teilnehmer starten. Das Teilnehmerfeld war mit 49 Reitern, verteilt auf 32 im Wettkampf A (Sichtungsritt für die Erwachsenen) und 17 im Wettkampf B (Sichtung für die Jugendlichen, TREC-Einsteiger) ungewöhnlich groß und beinhaltete auch Gäste aus Belgien, Frankreich, Österreich und der Schweiz.
Für das leibliche Wohl der Pferde, Reiter, Betreuer und Helfer war zu vernünftigen Preisen allerbestens gesorgt – die Unterbringung in der Nähe der Pferde unweit eines ehemaligen Römerkastelles ließ den geschichtlich Interessierten in die Vergangenheit schwelgen, wo das „Wanderreiten“ vermutlich nicht aus sportlichem Ehrgeiz durchgeführt wurde, sondern wohl eher im Sinne der üblichen Fortbewegung und zur Lebenserhaltung notwendig war.
Da auch TREC von der Idee her ein lebenserhaltender und nicht lebenszerstörender Wettkampf ist, untersuchte der engagierte Tierarzt die teilnehmenden Pferde auf ihre Reittauglichkeit – die Gesundheit der Reiter ist offensichtlich nicht gefährdet, da eine reitertaugliche Untersuchung nicht erfolgt(e), was dem TREC-Neuling Hoffnung bringt.
Ganz anders als in sonstigen Freizeitreiterveranstaltungen nahm man als Unverbrauchter der Szene am Vorabend des ersten Wettkampftages nach der Auslosung der erbarmungslosen Startzeiten erstaunt die rechtzeitig schwindende Teilnehmerstärke in der „Plauderrunde“ zur Kenntnis – angesichts der erwarteten Anstrengung zogen es die „Alten Hasen“ also vor, sich auf den kommenden Tag ausgeschlafen vorzubereiten. Schließlich waren sie ja nicht gekommen, sich mit Pferd im Schwarzwald zu vergnügen und der Natur hinzugeben – nein - sie waren gekommen, sich kilometerlang peinlich genau an Wegstreckenvorgaben zu halten, die Bea und Florian nicht etwa zur Verknüpfung tourismusgeeigneter Sehenswürdigkeiten erwählt hatten, sondern die geschickt jene Wald- und Flurgebiete verbanden, in welchen eine größtmögliche Abweichung zwischen Karte und Natur bestand.
P.O.R. oder : Warum tut man sich das eigentlich an ?
Wer bei der Startzeitvergabe je nach persönlicher Neigung Glück oder eben Pech hatte, erwischte die Startnummer 1, die den Erwählten zum einen bereits um 6 Uhr im Kartenraum antreten ließ, zum anderen auch Gewähr dafür bot, daß dieser Teilnehmer (noch) nicht auf der Strecke durch verschiedene Hufspurvarianten verunsichert werden konnte. Wie ein auf seine Eintrittsgenehmigung in den streng be- und überwachten Kartenraum wartender TREC-Reiter aussieht, zeigt uns Ruth.
In den wohl vergleichsweise kürzesten 20 Minuten seines Lebens opfert der TREC-Reiter all seine Aufmerksamkeit und zeichnerische Geschicklichkeit, eine wunderbar saubere Kartenkopie mit einem widerlich bunten Stift seiner Wahl zu individualisieren. Die sogenannte „Originalstrecke“ auf der „Originalkarte“ wird in dieser künstlerisch anmutenden Ausfertigung des Veranstalters trotz vielfältiger Bemühungen sämtlicher Teilnehmer jedoch in dieser Form nie wieder erreicht, was sich am Ende des Rittes beispielsweise dadurch zeigt, daß es kaum tierische Löcher (in Form von Ente, Schnecke und dergl.) in der Streckenkarte gibt, die trotz des Nagangriffes laut Reglement zumindest noch leserlich sein muß. Daraus zu folgern, daß es Sinn und Zweck dieser Streckenkarte ist, möglichst unverbraucht und beschmiert am Ende des Orientierungsrittes wieder dem Veranstalter übereignet zu werden, ist jedoch falsch – obwohl diese Möglichkeit von vielen Teilnehmern gerade auf diesem Ritt anscheinend als besonders pfiffige aber erfolgslose Taktik aufgegriffen wurde.
Man könnte P.O.R. auch als „Pfad ohne Richtigkeit“ übersetzen. Diesen Eindruck gewann man sehr schnell, wenn man versuchte, dem Originalstreckenverlauf zu folgen. Bereits auf dem ersten Kilometer zeigte die unvermittelte Ankunft am Heimbach oder in der Ortschaft Waldmössingen, daß man zwar unterwegs war aber offensichtlich auf einer Variante B, die nicht vom Veranstalter vorgesehen war. Der TREC-Neuling begriff spätestens jetzt, wo trotz des um 5 Minuten versetzten Startes der Teilnehmer mehrere Reiter gleichzeitig auf unterschiedlichen Wegen und in unterschiedlichen Richtungen sichtbar waren, daß es in der Tat nicht sinnvoll (und auch gar nicht möglich) ist, gutgläubig einem sogenannten „Vorreiter“ zu folgen.
Eine erste Kontrolle der Glaubwürdigkeit aus Originalkarte und Raubkopie lieferte der stille Streckenposten (ST. 1) „ Marco“ – auch „die Schnecke“ genannt, der sich im verwachsenen Unterholz unweit der L419 verbarg. Auf ein dokumentarisches Bild seitens der Verfasserin muß an dieser Stelle leider verzichtet werden - nicht etwa, weil Marco nicht attraktiv wäre, sondern weil er ein Meister des Verbergens ist. Man muß sich wundern, wie genügsam solch ein Streckenposten seine Arbeit verrichtet: Still und unsichtbar sitzt er im Walde, nur allerseltenst von hektischen Reitern mit einem Leuchten im Auge erblickt, die ihm seine Streckenkarte entgegenzücken. Während die Prozedur des „Löcherknipsens“ im Kino oder bei der Fahrkartenkontrolle zu einer Papierentwertung führt, entwickeln TREC-Reiter geradzu eine Sucht im Streckenkartenlöchersammeln.
Das Waldstück (bezeichnenderweise „Großwald“) genannt, beherbergte denn auch noch ein zweites, waldschratartiges Wesen: Joachim oder ST 2. Dieser hatte, da er seinen Tag in einem auch bei Tageslicht dunklen Waldteil verbringen mußte, zur seelischen Unterstützung einen beeindruckenden Hund mitgebracht und zerlöcherte die Streckenkarte mit einer Ente.
Um den Großwald in seiner ganzen Größe kennenzulernen, gaben die Veranstalter sich alle Mühe, den Reitern auf einem netten Zickzackkurs Vorstellungen von Norden und Osten zu vermitteln – wer sich nicht verzählte, verrechnete oder versumpfte, konnte am Ende dieser Etappe den Kontrollpunkt 1 (KP1) - Dagmar - begrüßen, die eine kleine Spitzfindigkeit des Veranstalters umsetzen durfte; Man sah den KP, freute und ärgerte sich. Denn nach dem rot-weiß ausgeflackten Ziel folgte - der richtigen Streckenvorgabe entsprechend aber verborgen durch ein Niederholzgewirr ein zweites Tor – dieses ersparten sich jedoch einige Reiter (zum einen, da sie zum KP1 die Strecke abkürzten, zum anderen aber auch aus Gewohnheit, unnötigen Verletzungsrisiken für das Pferd auszuweichen). Hier wäre eine bildliche Dokumentation als Lerneffekt sehr schön gewesen - die Verfasserin zog es jedoch ganz unprofessionell und unverzeihlich vor, sich mit Ralf zu verquatschen, der an diesem KP leider wegen Verlust eines Hufeisens abbrechen mußte). Dagmar verteilte als Kontrollpunkt keine Tierlöcher sondern Zeiten und sorgte dafür, daß sich unverhofft aufgetretende Agglomerate wieder in Fünfminutentakt verwandelten.
Auf dem nächsten Streckenabschnitt war Tempo angesagt: Einfache Streckenführung auf gutem Geläuf ließen Pferd und Reiter trabend entspannen und man konnte förmlich schon erahnen, daß das dicke Ende kommen würde. Und es endete denn auch abrupt mit dem Kartenrand im Heimliswald, der in der Tat sehr heimlich war. So heimlich, daß zumindest die Verfasserin sich hier sehr lange aufhielt, um auch wirklich keinen Weg unerkundet zu lassen, von denen es in der Karte so wenige und im Heimliswald so viele gab. Hier tummelten sich mehrere Reiter auf wundersamen Pfaden in verschiedenen Richtungen, was man unweigerlich mit der Nähe eines Kontrollpunktes in Verbindung bringen konnte. Wer hier todesmutig den richtigen Pfad erwischte (wer also keine Skrupel hatte, die kleinen Fichten zu zertrampeln oder dem Kompaß vertrauend durch den „Zivilisationsmüll“ ritt), landete richtig am Zollhaus und wurde von Dieter und Birgit am KP 2 abgestoppt. Birgit war sehr bemüht, den TREC-Reitern eine sichere Straßenüberquerung zu ermöglichen und lotste jeden Reiter störungsfrei über die uneinsichtige Straße – dafür verlangte sie nicht einmal Zoll; Vielen Dank an dieser Stelle !
Auf der Karte mußte man sich nun entlang eines einfachen Bogens in der Wegführung orientieren – die Landschaft jedoch präsentierte hier einige tückische Wegeanordnungen, die nicht so ohne weiteres mit der Karte vereinbar schienen. Am richtigen Ort die richtige Entscheidung gefällt, landete man jedoch tatsächlich an einem Gemarkungspfad (der tonnenschwere Gemarkungsstein am Eingang dieses Pfades war wirklich alles andere als unscheinbar), und orientierte sich zwischen den eng stehenden Bäumchen Knieschützer wünschend auf dem immer mehr dahinschwindenden Nichts anhand der hin und wieder auftauchenden Grenzsteine, die Gewähr boten, nicht auf dem Holzweg zu sein. Andere – so konnte man bald anhand der Hufspuren am breiten annähernd parallel verlaufenden Schotterweg sehen, wählten die bequemere Alternative. Ein idyllischer Hohlpfad, der einst sicher die Räuber zum „Schlößle“ geleitete, brachte den in die Karte Versunkenen nach einer unerwarteten Kreuzung zu ST 3, wo u.a. Karin aus Schwittersdorf/ Sachsen-Anhalt die Lochtiersammlung um einen Elefanten erweiterte Hiernach bot ein leicht zu findender Streckenabschnitt den Reitern die Gelegenheit, einen Seitenblick in die Botanik zu riskieren, wo vor allem die häufig vorkommende Bachnelkenwurz das Biologenherz erfreute. Die Kulturangehauchten unter den Reitern konnten wenig später im reich beseelten Schiltach entlang einer gepflasterten Straße liebevoll restaurierte Fachwerkhäuser im „Schwarzwaldstil“ genießen und es kostete die Verfasserin reichlich Überwindung, nicht abzusteigen, um zum Zwecke der verewigenden Dokumentation einen Verkehrsstau zu bilden. Hierzu war dann 500 Meter später bei Birgit und Kerstin (kurz KP 3, u.a. im der Pferdetränke dienenden Schiltach(bach) Gelegenheit, zu welchem die dem Kartenblick entbundenen Sightseeingfaszinierten auch über einen punktezehrenden Irrweg heranfinden konnten. Bei Kerstin sei zu erwähnen, daß sie trotz eines Kutschunfalls als Helferin angereist kam, die neuen Bundesländer in Sachen TREC unterstützt und daß sie gemeinsam mit Kerstin jegliche Hinterlassenschaften unserer Vierbeiner in dieser tourismusgeprägten Örtlichkeit entfernte, auf daß auch zukünftige KPs hier zweitweise siedeln dürfen. Ein ganz herzliches Dankeschön auch an diese beiden Helfer !
Die nächste Zeitvorgabe mit Tempo 5 deutete umsichtig an, daß nun eine konzentrierte Kletterpartie nach der Energiereserve von Roß und Reiter lechzte. In der Tat bestand auf der nächsten Etappe so manches Vorderzeug seine Bewährungsprobe. Und wessen Konzentrationsvorräte bereits in der Tannenweghöhe zur Neige gingen, der hatte vermutlich wenig Chancen, auf der Rehhalde (was auch immer das sein mag...) seine Streckenkarte mit dem seltenen Delphin des ST 4 auszuschmücken. Nanni selbst hatte, um ihren Posten zu erreichen, einen Fußmarsch von 1,5 Stunden hinter sich, was zeigt, daß man auch als TREC-Helfer wirklich Einsatz bringt und gut beieinander sein muß. (Da hier der Findergeist der Verfasserin versagte, wurde Nanni an neutralem Orte porträtiert –.
Der abgeschwächte TREC-Reiter wurde auf dieser Bergspitze gleich zweimal gestraft - ein böswilliger Parallelwegezuwachs ohne Karteneintrag führte auf schnellem aber falschem Weg an den KP4. Liebevoll tröstend klärten hier Christoph und Sohn Pascal auf, welche Fehler nun welchen Punktabzug bedeuten und zwangsentzerrt von dem sich wieder klumpenden Reitervolk konnte man, hochdemotiviert seine Kartenlesekünste weiter üben.
ST 5 im Katzenloch leistete der Lochtiersammlung durch Ulrike Reinker, mit einem Hasenknipser einen Beitrag und angesichts dieses ergreifenden Sammlerstückes wuchs nun auch wieder das Vertrauen in die eben noch vergilbten Orientierungsfertigkeiten. Ein Blick auf die Uhr und der schwindende Vorwärtsgang des Vierbeiners ließ in der Gegend des „Wurstwaldes“ Hunger entstehen und vermuten, daß es nun nicht mehr weit zum Mittagsstop sein konnte. Die Strecke führte die TREC-ler entmutigend „hinterm Berg“ durch Hinterlehen und Hinterholz – man wagte kaum, nach vorne zu blicken und drückte weiter den Hintern auf dem Pferderücken platt. Endlich - am Teufelskopf - wurden Wandereiterwünsche wahr ! Ein knallblauer Pavillon, gefüllt mit den Kontrollpunktprotokollanden des KP 5 (Karl-Heinz und Brigitte – sie reiste aus der Schweiz als Helfer an) Käse, Wurst, Wasser, Brötchen, Gurken und Schnaps ließ die von Westen drohenden Gewitterwolken unmittelbar harmlos erscheinen! Leider standen nur 30 Minuten zur Verfügung, all diese Kostbarkeiten genußvoll auf der Zunge bzw. der Streckenkarte zergehen zu lassen. Gut, wenn man einst das Schnellessen in der Mensa üben konnte
– für ein gemeinsames kleines Schnäpschen zur Erwärmung der Extremitäten in anbetracht der drohenden Wetterkatastrophe mußte man allerdings schon Glück in der Suche nach einem Freiwilligen haben – hier fürchteten scheinbar einige Reiter die Folgen benebelter Orientierungsfähigkeit
Frisch gestärkt konnte sich der TREC-Reiter ob der Tempovorgabe auch gemütlich zu Fuß an den Abstieg wagen – bis am Hinterhof die Verdauungsphase des Magens beendet war und an eine Mitarbeit des Gehirns gedacht werden konnte, was auch zwingend nötig war. Denn hier saß ganz leise und mittlerweile verregnet der liebe Lutz im Zugewachsenen mit seinem Hunde im Bunde (sowohl als lebendiges Exemplar als auch als Knipsabdruck).
In der Sattellege führte der steile Anstieg sicher auch bisweilen zur Überprüfung der ein oder anderen Sattelage. Wer zu schnell ritt, verpaßte am Ende des Aufstieges den treuen Gunnar, der als ST 7 ein Herz für alle Passierenden hatte und mit seiner wasserdichten Kamera (oder Radarfalle ?) beeindruckte. Damit auch er eine bleibende Erinnerung an diesen verregneten Nachmittag im Grünen hat, zeigt ihn aus der Traberperspektive. Am Herrenweg hatten die TREC-Reiter Gelegenheit, ein altes Ureinwohnerehepaar in der gemeinsamen Arbeit des Holzplankentragens zu beobachten. Hochachtungsvoll angesichts des sicherlich angereiften Lebensalters ihre körperliche Stärke bewundernd, konnte man nicht nur die Liebenswürdigkeit dieser Schwarzwälder kennenlernen sondern auch ihren reizenden Dialekt. Unter anderen Umständen hätte der nicht wettkampforientierte Wanderreiter hier sein Pferd verstaut, sich bei der Arbeit angeboten und ganz sicher anschließend einen netten Plausch erlebt... So überließ man die beiden ihrem Tagewerk, kletterte jegliche Nebenwege meidend weiter den Hang empor und wurde mit KP 6 belohnt, den Hildegard und Nicole bestückten. Die Tummelleidenschaft der TREC-Ambitionierten führte hier zu einer längeren Zwangspause, die wegen des reichlich auftretenden Grüns für die Pferde ein Segen war. Auch rückfällige Reiter konnten hier mit Wasser und Energieriegel ihre Ressourcen auffüllen.
Das Weiterreiten kam denn aufgrund der guten Bedingungen an diesem Orte annähernd einem „Rausschmiß“ gleich.
Gnadenlos verteilte sich nun der Regen auf der baumlosen Hochebene gezielt auf das Umfeld des Reiters. Wer noch über eine unzerknitterte und trockene Kartenkopie verfügte, konnte sich über Hinteraichhalden um Aichhalden herum zum Aichhalder Wäldle schlagen.
Der Ungenaue, der den oberflächlich am Waldrand vermuteten Streckenverlauf als Bretterstrecke nutzte, entkam auf diesem Wege dem sich vor dem Wetter im Wald verbergenden ST 8 in Gestalt eines Sebastian und dem damit einhergehenden, wertvollen Sammlerstück – dem (Wetter?)-Frosch (wegen der wasserscheuen Kamera und erwarteter Klumpenbildung leider nicht festgehalten).
Der Ungeduldige konnte nun kurz vor Streckenende noch einmal auf Trick 17 der KP-Erfinder hereinfallen; Man reite also niemals direkt auf einen allzu offensichtlichen KP zu, ohne den genauen Weg in der Karte zu erfragen. Die böse Falle vor der Brücke im sonst so heiligen Heiligenbronn durften Gerard (aus Frankreich) und Janine (aus Belgien) umsetzen. Dafür scheuten sie keine direkte Wettereinwirkung und hatten auch bei den Spätheimkommern immer noch gute Laune.
Der Verkühlte konnte nun in seinem bereits heiß erkundeten Großwald noch die letzten verworrenen Ecken vertauschen, die ihn entweder richtig, falsch oder eben gar nicht zu den unerschütterlichen Helfern Anna und Manu führte. Sie waren als der ST 9 zum Spenden eines Lochpferdes befugt, das man nur bei wirklich guter Ausdauer im Marathonorientieren um diese Uhrzeit noch erhaschen konnte. Die Dunkelheit ist nur durch das schlechte Wetter vorgestäuscht- so spät war die Verfasserin dann wieder auch nicht, als das Bild entstand !
Hocherfreut, das die befürchtete Kompaßstrecke auf der letzten Etappe unwahrscheinlich ist, gelang der Weitgereiste, unterschiedlich motiviert mit feuchten Klamotten, Erfahrungsgewinn oder Zermürbtheit ans Ziel, wo er noch einmal auf seine Begleitutensilien hin überprüft wurde.
Während andere schon seit Stunden ihre Pferde versorgt hatten und sich bei gutem Essen gemeinsam in den Erlebnissen des Tages ergingen, watschelte der Spätheimkehrer im anschwellenden Steigungsregen einer klammen Arbeit entgegen. Eine frühe Startzeit hätte denn doch ihr Gutes !
MA- oder : Was ist schon dabei, 150 Meter Schritt und Galopp zu reiten ?
Es liest sich im Reglement ja nun wirklich etwas lächerlich. Da hat man am Vortag annähernd 45 km in den wildesten Gegenden die verschiedensten Gangarten hinter sich gebracht und nun soll man sich auf zwei Gangarten auf nur 150 Meter beschränken. Was kann da schon dran sein ?
Die enttäuschten Gesichter derer, die die MA hinter sich hatten (nachdem ihre Pferde durch den positiven Ausgang im Tierarztcheck legitimiert wurden), ließen denn auch vermuten, daß sich die Veranstalter bei dieser Gangartengeschichte irgendeine Erschwernisauflage ausgedacht hatten. Und tatsächlich glichen die Bemühungen der Reiter auf der vorgesehenen Strecke, abgesteckt durch lustige Fähnchen und mit Beimengung einiger Habseligkeiten wie Mann mit Regenschirm, Schnur oder Fahrzeug eher einem Munteren Ausprobieren denn einem Vorzeigen der Gangarten. So hatte auch Rainhild reichlich Pech, die sich wie auch die anderen alle Mühe gab, einen flotten Schritt und einen langsamen Galopp zeigen. Daß hier jeder Täuschungsversuch in Form von Schraboppkomponenten sofort entlarvt wurde, sieht man auf am prüfenden Kennerblick von Joachim, der als „Mann der Technik“ die Buchführung gezeigter Gangartenvarianten übernahm und wettergeschützt im weißen Kleinwagen Überwachungsdienst schob.
Nachdem die MA nun den Gesamtpunktestand Vieler im Minuspunktebereich nicht zu relativieren vermochte, stürzte sich alle Hoffnung auf den PTV- den sogenannten Pfad tausender Vorwärtsbremsen. Da die Strecke am Vortag – sofern man denn die Originalstrecke gewählt hatte – mehr Hindernisse kartographischer Art enthielt, bastelte der Veranstalter im Tiergehege vor den Augen der neugierigen Gehegebewohner auf möglichst kleiner Fläche möglichst viele Stolperfallen zusammen, die mit netten Richtermenschen zur Beurteilung von Geschicklichkeit, Mut und Merkfähigkeit der Probanden gepaart wurden.
Den Eingang des PTV bewachte ein strenggläubiger Kuttenmönch, der dem ein oder anderen Reiter schon im Großwald unter die Augen getreten war. zeigt ihn in voller Größe mit seinem Höllenhund – am offiziellen Start sah er zusammengekauert weniger dramatisch aus. Wen er vorbeiließ, geriet kurz darauf in die Fänge von Dagmar, die den Rest des Tages unterstützt durch ihre Crew damit verbrachte, die Stangen, die das Labyrinth markierten, liebevoll nach jeder mutwilligen Zerstörung wieder auf- und auszurichten. Sie war auch die Wächterin der Treppe ,
die aber durch ihren robusten Bau den Attacken der Vierbeiner trotzen konnte. In Ermangelung eines warmen Kellers haben die Einwohner von Waldmössingen die Angewohnheit, ihre Wäsche im Tiergehege aufzuhängen- sie war wirklich blütenweiß, dürfte aber nach dieser Belüftungsmethode jegliche Tiergerüche an sich haftend wenig Anziehungskraft gehabt haben. Um ein Indianertipi herum taten sich plötzlich tiefe Abgründe auf; dort, wo wirklich eine Brücke angebracht gewesen wäre, ging den Veranstaltern wohl die Bastelwut aus. So blieb denn nichts anderes übrig, als sein Pferd den Abhang herunter und wieder hoch zu bemühen. Wie auf einer tempobeschränkten Steigungsstrecke der Autobahn, durfte aber die beschleunigende Abwärtsenergie nicht in den Aufwärtshang übertragen werden – am tiefsten Punkt war Absteigen angeordnet. Die Manier der Kletterpartie beobachte fachmännisch der emsige Regenschirm-Dieter (bestens bekannt aus der MA-Strecke und KP2. Nach eigenem Belieben konnte man nun einen Wurzelweg durch den Tannenwald suchen und landete am „Aufstieg“ Christoph, bewappnet mit einer schrille Piepstöne austoßenden Uhr hatte den Job, jeglichen Zappler aus dem Rondell zu ahnden. Für die A-Strecke war eine Aufsteigehilfe in Form eines Rundholzes, das geschickt zwischen Vorder- und Hinterbeinen der Pferde lag, vorhanden, bei der Jugend in der B-Strecke erwartete der Veranstalter, daß diese noch mehr Sportlichkeit besaßen- sie mußten sich vom Boden aus in den Sattel ziehen. Bei genauem Zielen durch die Fichten konnte man nun in den Knickgang reiten, der für die Jugend etwas breiter und damit als Rückwärtsrichten vorgesehen war. Vor das Tor hatte ein Waldarbeiter einen Holzstoß gesetzt, damit man nicht versehentlich mit zu viel Tempo an das zerbrechlich wirkende Gatter kam . Offensichtlich wurde dieses von den Reitern nicht immer ordnungsgemäß verschlossen - anders ist nicht zu erklären, warum die vielen kleinen Hängebauchschweine, die sich üblichweise im Wäldchen tummelten, verschwunden waren. Oder gab es am Vorabend Spießbraten ? Durch einen schmalen Gang – nur über einen Maschendrahtzaun von Lamas, Eseln und Hornvieh getrennt - kam der bis hierhin nicht Ausgebremste an den in den Hang gesetzten Tiefsprung, der mit seinen übersichtlichen 1,35m ein wenig wie die Eiger Nordwand wirkte. Diejenigen, die sich der Mutprobe enthielten, kamen aber auch nach den obligatorischen Extrarunden an der Seite vorbei. So mächtig der Tiefsprung ausfiel, umso schmächtiger kam dem Ausgebremsten nun die „Brücke“ vor. Das Steglein war schmal aber solide gebaut und ertrug auch einen stämmigen Friesen. Ein paar Galoppsprünge später, genau in dem Moment, als der Reiter sich an die lang vermißte, freie Vorwärtsbewegung gewöhnen wollte, sprang eine wunderschöne Blumenhecke als Blickfang dem Betrachter ins Auge und das Pferd in der Regel seitlich vorbei. Die Haltungsnote des Reiters bei der hier schon einmal präsentierten Seit- oder Bremsbewegung konnte dann am Graben optimiert werden. Damit das dunkle Loch nicht so gruselig aussah, hatte man eine blaue Plane hier vertieft und die Wasserattrappe durch eine lebensecht wirkende Quakente und schmuckvolle Seerosenimitate glaubwürdig gemacht. Das Wäldchen verlassend (die B-Reiter durften hierfür den Auf- und Tiefsprung nutzen, den sie in ihrem Übereifer aber leider bis zur Unbrauchbarkeit für die A-Strecken-Reiter zertrampelten), lockten blaue Pfähle, das Pferd in eine windende Vorwärtsbewegung zu verbiegen. Nach dem Slalom kamen die Rennpferde endlich auf ihre Kosten- lange Wegstrecken ohne Firlefanz und Schnickschnack - ganz so, wie man es vom Kartoffelacker gewöhnt ist. Im Angesicht des Zieles mußte sich der Reiter aber schon wieder für das Rückwärtsrichten an der Hand aus dem Sattel bemühen (die B-Reiter durften sich ersatzweise durch einen Gang quetschen). Das Eselgehege lud anschließend zum freien Stillstehversuch ein, der bei Vielen auch ein Versuch blieb. Bevor der Schlußsprung der Bremspartie ein Ende setzen konnte, lauerten vier splittersichere „Äste“ auf ihren Abfalldienst. Da das Auflösenkönnen ins Nichts und das Vertiefen ohne Buckeln nach Oben bei den Reitern nicht besonders stark ausgeprägt war, hatten die Richter an diesem Hindernis sicher den härtesten Job. Soweit sich die Verfasserin erinnern kann, kam keines der Pferde auf die Idee, beim Ducken die leckeren Naschereien an den Stangen zu probieren und dem Reiter blieb wohl auch nur bei der Parcourbegehung die Zeit, diese wunderschönen Gemüsegestecke zu bestaunen. Den Hang zum Verschönern könnte man bei den Parcourerbauern auch dadurch erkennen, daß der Königssprung als krönender Abschluß mit den Blumen der Saison ausgestattet war. Das auf seine Seitenzweige gestellte Baumstämmchen , das den Zierat beherbergte, war allerdings wieder Anlaß für freiwillige Voltendreher...
So mancher Reiter war in diesem Wettkampf dabei, der das Punktesammeln wahrlich ernsthaft betrieb. Diesen Stand mitzuteilen und alle Reiter auf einen Haufen zu zentrieren, um das Gruppenverhalten im Galopp zu erproben, war Sinn und Zweck der Siegerehrung. Wie wer warum und wo abgeschnitten hat, hatten mathematisch bewanderte Leute wie Joachim, Florian und Bea mittels eines schlauen Programmes errechnen lassen, damit sie den Rest des Tages mit Feiern und nicht mit wilden Formeln verbringen konnten. Wer sich dafür interessiert, wer mitgeritten ist und dabei mehr oder weniger Erfolg hatte, kann dies in einer übersichtlichen Tabelle sicher irgendwo auf Ingos Homepage nachlesen.
Wenn auch bereits einige Reiter nach dieser Prozedur die Flucht ergriffen, um dem geplanten Heimkehrerstau am Sonntag zu entgehen, so blieben denn noch genügende Überlebende des TREC-Wettkampfes, das eigentliche Wanderreiterleben auszukosten. Ganz ohne Zeitdruck und Richterblick gab es am Festabend Pluspunkte für die tänzerischen Athleten.
Ein großes Lob möchte ich an dieser Stelle den Organisatoren und Helfern noch einmal aufdrängen, daß sie ihre Freizeit geopfert haben, um uns Teilnehmern ein an Urlaub grenzendes verlängertes Wochende zu stiften. An meinen ersten und sicher nicht letzten TREC-Ritt werde ich ewig ein schönes Andenken haben.
Silke Dehe