Reisen mit dem Pony nach Great Britain unterscheiden sich etwas von Reisen ins europäische Umland. Das liegt nicht nur am Umstand, dass man "schwimmen" muss, sondern auch daran, dass die Briten etwas andere Vorstellungen haben, welche Bedingungen man erfüllen muss, will man das edle Ross mit auf die Insel nehmen und vor allem anschließend auch wieder mit heim ;o)
Die nötigen Reisepapiere fürs Pferd zu bekommen gestaltete sich als etwas verwirrend und mühsam. Die Amtstierärzte waren sich nicht ganz einig, ob wir a) eine Transportbescheinigung brauchen (die man eigentlich nur braucht, wenn man Pferde gewerblich transportiert) und b) ob ein Attest ausreicht, das 10 Tage gültig ist, wenn es deutlich früher als 48 Stunden vor dem Export ausgestellt wurde. Bzw. man war sich uneinig ob "Export" den Zeitpunkt beschreibt, zu dem man den eigenen Stall verlässt, oder ob damit der Zeitpunkt gemeint ist, zu dem man die Fähre betritt. Die Briten wiederum wollen, laut der Britischen Botschaft, ein Attest, dass max. 48 Stunden vor dem Export ausgestellt worden ist. In jedem Fall war es erstaunlich wie viel Zeit die einzelnen Amtstierärzte für die Ausstellung dieses Attestes benötigten (von 3 bis zu 45 Minuten) und wie unterschiedlich sie für diese Leistung honoriert werden wollten.
Birgits und meine gemeinsame Reise begann im Taunus in Wehrheim am Dienstag Nachmittag. Ohne Stau kamen wir durch Belgien bis nach Calais und aufs Hafengelände, eigentlich nur mal zum Schauen und eigentlich auf der Suche nach einer Tankstelle. Aber ehe wir richtig wussten wie uns geschieht, wurden wir eingeschifft und erheiterten das Personal mit Passsuchen im übervollen Bus und allgemeiner Ahnungslosigkeit, was Reisen dieser Art betrifft. Gegen 23 Uhr erreichten wir Dover und freuten uns auf eine Pause. Pferde ausladen auf der Insel war aber nicht drin, alle schmalen Sträßchen waren gesäumt von Hecken und Toren. Also haben wir 2 Stunden auf einem Parkplatz geschlafen, oder besser gesagt, wir haben es versucht.
Mittwoch um 9 Uhr erreichten wir unser Ziel, die Brockwellfarm in Wootton Courtenay am Fuße des Dunkery Beacon im Nationalpark Exmoor. Hier war schon ein Trüppchen versammelt. Dagmar als Richterin und Mercedes als Equipechefin der Senioren krochen gerade aus ihrem Bus. Ingo und Heidi, Gabi, Achim und Katharina und Andrea freuten sich über unsere Ankunft, mit der das Seniorenteam vollständig war. Wir wurden unverzüglich mit den besonderen Gefahren dieser Gegend vertraut gemacht. Eine davon heißt Stechginster ("Gorse") und Verletzungen mit dem Kraut können bei manchen Pferden allergische Reaktion und heftiges Fieber verursachen. Man, bzw. das Pferd, solle es möglichst nicht berühren, riet man uns. Auf einem ersten kleinen Erkundungsritt stellten wir fest, dass dies nur auf wenigen Wegen möglich war. Gorse wächst eigentlich überall. Was das für den POR (den Orientierungsritt) bedeuten würde war uns noch unklar.
Eine andere Schwierigkeit waren Cattle Grids und Tore. Die erste Version des POR beinhaltete wohl 44 Tore, die man nicht nur öffnen, sondern hinter sich auch wieder schließen muss, da sie in der Regel irgendwelche Tiere daran hindern sollen, den Standort zu wechseln. Seien es Kühe, Schafe oder Exmoorponys. Die hatten in der vergangenen Nacht bereits den Vorgarten der Brockwellfarm verwüstet, weil sie die Gastpferde besuchen wollten und nicht alle Tore geschlossen worden waren.
Abends trafen Joachim und die restlichen Jugendlichen ein und Dee und Chris, unsere Gastgeber, luden zu einem sehr gelungenen Grillabend mit Wein und Guinness ein.
Der Donnerstag verging mit dem Versuch die Kleiderfrage zu klären, Tierarztkontrolle, Ausrüstungskontrolle und Eröffnungsfeier zu planen, den PTV (Geländestrecke) zu besichtigen und die Wege zu den unterschiedlichen Schauplätzen zu finden. Die Eröffnungsfeier sollte im Castle von Dunster stattfinden, wo His Royal Highness, Sir Edward, Earl of Wessex, die European TREC Championships eröffnen würde. Damit auch alle "in ordentlich" erscheinen, war ein Preis ausgeschrieben worden für das smarteste Team. Start für POR und PTV und MA (Gangartenprüfung) war dann bei East Luccombe. Hier standen auch die Verpflegungszelte. Den von Hecken gesäumte Weg von der Brockwellfarm zu diesen Verpflegungszelten, legten wir in den folgenden Tagen sicher 20 mal zurück. Was nichts an der Tatsache änderte, dass wir bei jeder Fahrt sicher waren, hier noch nie gewesen zu sein. Wir sind nun überzeugt, dass Labyrinthe in Exmoor erfunden wurden und so etwas wie ein natürlicher Bestandteil dieser Gegend sind. Vermutlich gibt es dort lebende Hecken, die sich immer wieder verrücken (man erinnere sich an Tolkiens "Ents") um sich an den verwirrten Menschlein erfreuen.
Den Freitag brachten wir mit der Eröffnungsfeier und den Vorbereitungen dafür zu. Den Preis für das smarteste Team haben wir haarscharf verpasst. Die Ösels waren einfach smarter. Tierarzt- und Ausrüstungskontrolle verliefen gut und alle bekamen die Startfreigabe. Vor dem Dinner reichte es für eine zweite Parcoursbegehung. Dann hieß es sich in Geduld üben, bis gegen 21.30 Uhr doch noch eine Starterliste für den POR ausgegeben werden konnte.
Der POR war ziemlich anstrengend, alles in allem, aber super schön. Marvellous landscape, beautiful views, lots of hills and hedges, millions of stones. Hätten wir zwei bis drei Tage gehabt für die Strecke, dann hätten wir die Ausblicke richtig genießen können ;o) Das Abzeichnen der Strecke dauerte recht lang, zum kilometrieren kam ich nicht und die Karte war mit einem besonderen Zauber versehen, der bewirkt, dass man dauernd suchen muss, wo man sich gerade befindet. Auch wenn man nur mal eben kurz einen kleinen Blick auf die wirklich wunderschöne Landschaft geworfen hatte.
Das Pony war sehr tapfer. Ich glaube, es gab nur gleich nach dem Start ein "ebenes" Stück Weg (ohne Steigung), dann ging es immer hoch oder runter bis zum Ziel (42 km). Es schien, als habe der Meister der Strecke keinen Hill ausgelassen, was zwar etwas mühsam war, uns aber mit fantastischen Ausblicken belohnte. Seien es ein malerischer Pfad durch einen Wald aus knorrigen Eichen mit grünem Grasboden, oder ein Abstieg durch Moor/Heide Landschaft in Richtung der Küste mit Blick in eine Bucht.
Auf dem letzten "Etäppchen" ereilte mich die Nacht. Very funny, auf schmalen steinigen Pfaden bergab im Wald ;o) Erfreulicherweise hatte ich zu diesem Zeitpunkt zwar den Portugiesen verloren, aber Hillary eingeholt und musste nicht alleine absteigen vom Hill. Eine Französin hat uns noch mal eben überrollt (vielleicht sehen die mehr im Dunkeln, anders kann ich mir das nicht erklären, wie die so schnell den Berg runterkam). Ich machte mir gerade Gedanken, dass ich als 37. von 63 gestartet war und somit noch ein paar Reiter irgendwo auf der Strecke umherirren mussten, da wurden wir gestoppt und der ganze POR wurde abgebrochen. Die Briten haben alle Reiter auf der Strecke eingesammelt, angehalten und heim geleitet (mit Warnblinker und Sicherheitswesten und Blinklichtern natürlich!). Und zu guter letzt wurden nur die ersten 7 Etappen des POR gewertet.
Am Sonntag musste erneut der Tierarzt das Ok für die weitere Teilnahme geben. Ingo bekam sie leider nicht, seinem Pferd glühten wohl noch die Hufe von den steinreichen Pfaden. Somit war die Deutsche Mannschaft leider auf drei geschrumpft, der „Joker“ weg und damit waren wir leider nicht mehr sehr wettbewerbsfähig.
Sicher um uns zu verwirren haben die Briten vor dem ersten PTV Start festgestellt, dass uns für die Ausreise wichtige Dokumente fehlten. Für die Ausreise braucht man eine Export licence, die bei einem Ministerium beantragt werden muss und für die es unterschiedliche Formulare gibt, je nachdem ob man ein Pony oder ein Pferd aus GB exportieren möchte. Und man braucht ein Attest, das von einem anderen Ministerium ausgestellt und von einem Veterinär am Veranstaltungsort abgezeichnet werden muss. Letzteres fehlte uns leider. Und Ministerien stellen in der Regel solche Dokumente sonntags nie aus. Blöd. Aber: dieses Attest braucht man erstaunlicherweise nicht, wenn man nach Frankreich ausreist. Also hatten wir eine Notadresse für Frankreich, für den schlimmsten Fall, aber erfreulicherweise hat uns danach niemand gefragt ;o)
Die Gangartenprüfung war in einem weiten Linksbogen angelegt worden, ausgesprochen gut reitbar und brachte viele Punkte. Der PTV (Geländestrecke) war prima in die Landschaft eingepasst worden, viele Hills verliehen den Hindernissen die besondere Würze. Gleich nach dem Start, neben dem Abreiteplatz, wurde ein Stillstand verlangt, der nicht extra eingezäunt war, was zu eigenmächtigen Ausflügen der vierbeinigen Teilnehmer animierte. Über eine Brücke ging es zum Graben mit Wasser. Die Wasserdurchquerung wurde irgendwann im Verlauf der Veranstaltung ersatzlos gestrichen, weil sie sich als zu gefährlich herausstellte. Durch den Gang an den Schafen vorbei mussten wir den Berg rauf, über einen Baum auf der Kuppe eines kleinen Hügels. Eine Treppe hoch, durch ein Labyrinth im Hang und durch ein Tor zwischen Hecken im Hang (genauer bergauf), geritten bergab (41°, das ist ziemlich bergab ;o)), einen Aufsprung an der Hand im Hang hoch, Stufen wieder runter, über eine Hecke mit Wall auf der Kuppe, einen Slalom im Hang bergab, einen Tiefsprung runter und über eine Rennbahnhecke ins Ziel. Und dazwischen immer wieder durch üppigen Stechginster.
Dann stand nur noch feiern auf dem Programm, eine Siegerehrung mit vielen Hirschen, die verliehen wurden und einer flotten Ehrenrunde. Gewonnen hat Frankreich (nicht sonderlich verwunderlich ;o)), die Österreicher wurden 2. und Great Britain erreichte Platz drei. Wir wurden 7. von 11, nicht gut, aber scheeee war’s. Die Heimfahrt verlief erstaunlich unspektakulär, wir durften wieder runter von der Insel und konnten 4 Stunden in Belgien neben dem Auto schlafen. Was will man mehr.